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HIV Infektion durch Vorhaut
von Professor Brian J. Morris, Universität Sydney (Australien)

In den USA schätzt man das Ansteckungsrisiko pro heterosexuellem Kontakt auf 1/10.000 bis 1/100.000. Wenn ein Partner HIV-positiv, aber noch gesund ist, hat ein einziger Vaginalverkehr ein Übertragungsrisiko von 1/300 für die Frau und lediglich 1/1000 für den Mann [9]. Für ungeschützten Analverkehr und intravenösen Drogenkonsum liegen die Risiken weitaus höher. In Afrika sind je nach Region bis zu 10 % der Bevölkerung mit HIV infiziert (auf den möglichen Grund komme ich weiter unten zu sprechen). Erste Berichte kamen aus Nairobi, daß unter 340 wegen Geschlechtskrankheit behandelten Männern das Risiko, HIV-positiv zu sein, 3mal so groß war, wenn sie geschwürige Hautveränderungen am Penis hatten oder unbeschnitten waren (11 % aller untersuchten Männer hatten HIV) [50]. Wenig später erschien der Bericht einer Studie, in der die Beschneidungshäufigkeit und die Häufigkeit von HIV-Infizierten bei 409 afrikanischen Stämmen in 37 Ländern verglichen wurden. In Stämmen mit einem geringeren Anteil beschnittener Jungen und Männer zeigten sich höhere Anteile HIV-Infizierter [7]. Im angesehenen International Journal of Epidemiology berichtete Moses 1990, daß von 700 untersuchten afrikanischen Stämmen, die an 140 verschiedenen Orten in 41 Ländern Afrikas lebten, anteilig deutlich weniger HIV-Infizierte in solchen Stämmen festzustellen war, in denen Knaben routinemäßig beschnitten wurden [33, 34]. Lastwagenfahrer, die im allgemeinen häufig Prostituierte aufsuchen, waren häufiger mit HIV infiziert, wenn sie unbeschnitten waren. Ein interessantes Ergebnis erbrachte eine Studie aus Westafrika: "Teilbeschnittene" Männer mit restlicher Vorhaut waren häufiger HIV-2-positiv als Männer, die vollständig beschnitten waren [40].

Von 26 Querschnittstudien erbrachten 18 Untersuchungen (z. B. [15, 23, 25, 41, 54]) nach univariater oder multivariater Analyse einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein einer Vorhaut und HIV-Infektion, in 4 weiteren Studien zeigte sich ein entsprechender Trend. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde von Wissenschaftlern wie Moses oder Caldwell vorgeschlagen, durch gezielte Förderung der Vorhautbeschneidung die Ausbreitung von AIDS zu beeinflussen [9, 19, 23, 26, 32-34].

Die vielleicht interessanteste Untersuchung über HIV-Infektion und Vorhaut wurde von Cameron, Plummer und Mitarbeiter 1989 im angesehenen Lancet publiziert [10]. In dieser prospektiven Kohorten-Studie in Nairobi wurden HIV-negative Arbeiter über längere Zeit beobachtet, bis sie HIV-positiv wurden. Da sie regelmäßig Prostituierte besuchten und der Anteil HIV-Infizierter unter den Prostituierten von 4 % im Jahre 1981 auf 85 % im Jahre 1986 zunahm, standen alle Männer unter einem hohen Infektionsrisiko für sexuell übertragbare Krankheiten. Von März bis Dezember 1987 wurden 422 Männer in die Studie aufgenommen. Zu Beginn hatten 51 % geschwürige Veränderungen am Penis (89 % Schanker, 4 % Syphilis, 5 % Herpes) und weitere 49 % Harnröhrenentzündung (davon 68 % Gonorrhoe). 12 % waren bereits HIV-1-positiv. Unter den Männern waren 27 % nicht beschnitten. Die Männer wurden jeweils 3 Monate lang alle 2 Wochen und danach monatlich untersucht. Bis zum März 1988 kam es bei 8 % (24 von 292 Männern) zur Serokonversion als Zeichen einer frischen HIV-Infektion, im Durchschnitt 8 Wochen nach Studienbeginn. Die Neuinfizierten hatten häufigeren Kontakt zu Prostituierten (relatives Risiko, RR = 3), mehr Genitalgeschwüre (RR = 8; p < 0,001), und mehr von ihnen waren unbeschnitten (RR = 10; p < 0,001). Die logistische Regressionsanalyse ergab, daß eine Serokonversion mit drei unabhängigen Risikofaktoren assoziiert war: unbeschnitten (RR = 8,2; p < 0,0001), Genitalgeschwüre (RR = 4,7; p = 0,02) und regelmäßiger Kontakt mit Prostituierten (RR = 3,2; p = 0,02). Insgesamt kam es bei 18 % aller Männer zu einer Serokonversion; bei Männern ohne jeden Risikofaktor waren es nur 2 %, bei Männern mit allen Risikofaktoren 53 %. Von den beschnittenen Männern ohne Genitalgeschwür wurde nur einer HIV-positiv. Bei 98 % aller HIV-Infektionen bestand mindestens ein Risikofaktor, wobei sich die Risikofaktoren gegenseitig verstärken, denn durch das Genitalgeschwür kommt es leichter zu einer HIV-Übertragung von der Frau auf den Mann.

Als Grund für das größere HIV-Übertragungsrisiko bei unbeschnittenen Männern wird angenommen, daß HIV-infiziertes Scheidensekret der Frau nach dem Geschlechtsverkehr unter der Vorhaut "gefangen" bleibt, wo Feuchte, Wärme und die längere Kontaktdauer eine Keimübertragung fördern. Zusätzlich könnten die größere Schleimhautoberfläche, mikroskopisch kleine Einrisse der verletzlichen Haut sowie Entzündungen unter der Vorhaut (Balanitis) die Infektion erleichtern. Bevorzugte Eintrittspforte könnten die Eichel, das innere Vorhautblatt und/oder die Harnröhre sein. Bei einem beschnittenen Penis dagegen erschweren vermutlich die trockene Oberfläche und die weniger verletzliche Struktur der Haut eine Übertragung.

In der zitierten Studie aus Afrika betrug das HIV-Infektionsrisiko eines einzigen vaginalen Geschlechtsverkehrs 13 %; das ist um Größenordnungen höher als in den USA. Als mögliche Erklärung wurden gleichzeitig bestehende Geschlechtskrankheiten, vor allem Schanker, genannt [9]; doch es sind auch andere Möglichkeiten denkbar.

Studien aus den USA hatten bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Beschneidung und HIV-Infektion kein so deutliches Ergebnis. Einige Studien zeigen einen höheren Anteil HIV-Infizierter bei unbeschnittenen Männern. In einer Studie aus New York wurde dagegen kein Zusammenhang deutlich, doch waren die untersuchten Patienten überwiegend drogenabhängige und homosexuelle Männer, bei denen die entscheidenden Risikofaktoren womöglich nicht berücksichtigt wurden. Eine Studie aus Miami an heterosexuellen Paaren dagegen fand mehr HIV-Infektionen bei unbeschnittenen im Vergleich mit beschnittenen Männern, und in Seattle waren homosexuelle Männer doppelt so häufig HIV-positiv, wenn sie unbeschnitten waren [28].

Der enorme Unterschied in der HIV-Ausbreitung von Afrika und Asien, wo heterosexueller Geschlechtsverkehr der Hauptgrund für die rasche Infektion der Bevölkerung darstellt, gegenüber Australien und den USA, wo es zu einer relativ langsamen Ausbreitung in die heterosexuelle Bevölkerung gekommen ist, liegt allem Anschein nach an dem Vorhandensein verschiedener Virustypen [29]. Nach einem 1995 in der Zeitschrift Nature erschienenen Artikel gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen HIV-1-Subtypen, die in verschiedenen Gebieten isoliert wurden. Der Subtyp „Clade E" kommt vor allem in Asien vor und unterscheidet sich vom „Clade B" der westlichen Länder durch seine hohe Infektiosität gegenüber den sogenannten Langerhans-Zellen der Vorhaut, was seine Übertragbarkeit durch die verletzliche Vorhaut zusätzlich steigert. Die Langerhans-Zellen sind Teil des Immunsystems und transportieren das HI-Virus zu den T-Zellen, die infolge der HIV-Infektion deutlich dezimiert werden. Die Auftreten des asiatischen HIV-Subtyps in Australien wurde erstmals im November 1995 gemeldet. Über unbeschnittene Männer könnte sich dieser Virusstamm ähnlich schnell in der gesamten Bevölkerung ausbreiten, wie dies in Asien bereits geschehen ist. Damit beginnt eine gesundheitliche Zeitbombe zu ticken, die alle Gesundheitspolitiker aufschrecken sollte.
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